eine illegale Aktion des formatlabors | hai gorgai project (Till Nikolaus von Heiseler,  Michaela Caspar,  Andrés Fuentes Cannobbio,  Achim Kubinski,  Petra Fromm,   Sebastian Hoppe,  Christian Maria Goebel,  mARS Agardtha).
Ein komponierter, teilweise gesprochener, teilweise gesungener Text wird in einer geprobten und choreographierten
Inszenierung unangemeldet in einer Bank aufgeführt. Die nach kürzester Zeit im Sturmschritt erscheinenden Kampf-
geschwader der Polizei stehen einer einzigen, dünnhäutig wirkenden Perfomerin in einem weißes Papierkleid gegenüber...
"Die Idee für die Aktion entstammt einem Traum. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was ich genau geträumt habe, nur dass Joseph Beuys da war, der sich ständig vor dem gesamten Vorstand der Deutschen Bank auf den Boden warf und denen die Füße küsste. Toll, dachte ich im Halbschlaf, das muss ich auch machen. Dabei hatte ich merkwürdigerweise das Gefühl, eine Frau zu sein. Als ich wach geworden bin, hab ich dann den Text Ein sehr kurzes Stück für Bankdirektoren in einem Zug runtergeschrieben und mir immer dabei vorgestellt, dass ich die ganze Zeit am großen Zeh von Hilmar Kopper lutsche. Das war damals der Vorstandsvorsitzende" «Till Nikolaus von Heiseler, Autor und Konzeptkünstler»
"Als mir Heiseler von der Sache erzählt hat, hab ich sofort gesagt: klar, machen wir. Ich beantrag dafür Geld beim Ministerium. In unserem Gespräch wurde ziemlich schnell klar: als Aufführungsort kommt nur eine Bank infrage. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur hat uns dann mit einem fünfstelligen Betrag ausgestattet. Das Kostüm wurde entworfen, die Musik komponiert; dann haben die Proben angefangen." «Michaela Caspar, Performerin»
"Eine Performerin in leichten weißen Gewändern begann zunächst melodisch, dann kreischend einen Text zu zelebrieren, kniete vor einem der Heiligtümer der Bank, dem Kontoauszugsdrucker, stand auf, flog leichtfüßig durch die Schalterhalle. Musik aus mitgebrachten Tonbandgeräten plätscherte leise. Ein Kind lachte." «Mario Stumpfe, Berichterstatter für das Neue Deutschland»
"Während Michaela Caspar immer schrillere Töne hervorbringt, werden Fotografen und auch die taz-Berichterstatterin zur stählernen Eingangsdrehtür geleitet und hinausexpediert. Die weiße Dame aber können die Wachleute noch so oft zum Verlassen der Bank auffordern, Michaela Caspar singt ungerührt weiter - von Emily, in deren Kopf zwei Schwestern mit den Beinen baumeln und weiße Socken anhaben und so merkwürdig zwitschern. Ein Text über das Leiden und die Angst vor der Verrücktheit und die lindenblütenteehafte Langeweile verständiger Anpassung." «Miriam Hoffmeyer, taz-Berichterstatterin»
"Ich war erstaunt, wie schnell die Bullen immer da waren. Meistens Spezialeinheiten. Und dann haben die Bullen ewig mit den Bankleuten verhandelt. Das dauerte meistens so ungefähr 25-30 Minuten. Schon beim ersten Mal ging das vom timing her genau auf. Michaela wurde praktisch auf den letzten Textzeilen von zwei Bullen rausgetragen. Das war alles schon sehr genau geplant." «Andres Fuentes Cannobbio, Videofilmer»
"Eine Bank ist ja nicht irgendein öffentlicher Ort. Die Sorge um Sicherheit schafft eine ständige Spannung. Die kleinste Abweichung von der Norm wird in so einem Raum sofort deutlich. Das ist äußerst theatralisch." «Sebastian Hoppe, Fotograf»


"Die Mechanismen des Marktes wurden in der Performance gegen sich selbst verkehrt. Die Sensibilität des Bankraumes. Die Scheu der Polizisten, gegen eine hübsche, empfindlich aussehende Frau vorzugehen. Das Papierkleid, das es praktisch unmöglich machte, an der Performerin herumzuzerren (die hätte sonst nackt dagestanden; das wollte ja auch niemand.) Die Besorgnis um die eigene PR. Ihr zuliebe wurde die Anzeige wegen Hausfriedensbruchs auch in allen Fällen wieder zurückgezogen (schließlich ist man ja Kunstförderer). Das war alles im einzelnen überlegt." «Christian Maria Goebel, Darsteller»
"Letztlich ging es doch darum, für einige Zeit das Zentrum des Kommerz durch Kunst zu besetzen. An einem Ort des Kommerzes künstlerisch zu experimentieren. Es geht um das Zurückgewinnen von Territorium. Also nicht noch in den dritten Hinterhof ziehen und sich in der letzten Nische verstecken, sondern sich selbst ins Zentrum setzen und sagen: hier bin ich." «Andres Fuentes Cannobbio, Videofilmer»

"Mich interessiert ästhetisch die Berührung von Fiktionalität und Wirklichkeit, von theatralischer und alltäglicher Realität." «Till Nikolaus von Heiseler, Autor und Konzeptkünstler»


"Die Aktion hat für mich viel mit der Gewalt der Stereotypen zu tun. Es geht um Anpassung und Identität. Schließlich geht es im Text um den Verlust des Ichs bzw. um dessen Bewahrung im uniformen gesellschaftlichen Raum. Darum ist es so wichtig, dass ich die Performance nicht gegen jemanden richte. Sondern eine Autonomität meines Selbstbildes behaupte. Wie eine unbedingte Notwendigkeit." «Michaela Caspar, Performerin»

"In Hamburg wurde Michaela richtig abgeführt. Später hat sie dann gesagt, dass sie die Kurve aus der Rolle raus nicht so richtig gekriegt hat. Erst als sie in der Zelle war, ist sie aus der Performance-Figur ausgestiegen. Ich glaube, die Polizisten haben gedacht, die ist wahnsinnig." «Petra Fromm, Kostümbildnerin»

"Als ich Michaela in Hamburg aus dem Polizeigewahrsam abgeholt habe, hat mich ein Polizist von einer Spezialeinheit gefragt: 'Und wie ist denn das jetzt so bei euch in der Kunstszene?'" «Christian Maria Goebel, Darsteller»